Olympia-Bronze für Hannes Aigner

Verfasst am Freitag, 30. Juli 2021 von Angela Merten

Kämpfen bis zum Schluss

Es war kein einfaches Rennen für den Augsburger Hannes Aigner, als er heute im letzten Finale der Kanu-Slalom Wettbewerbe am Start stand. Auf seinem Weg lagen viele Unwegsamkeiten. Da war zum Einen die Erinnerung an die vergangenen Spiele: „Ich bin da noch etwas traumatisiert von dem vierten Platz in Rio.“

Mit weniger als einer halben Sekunde Rückstand auf den Sieg, verpasste er damals als vierter nur knapp das Podium. „Das war schon bitter.“ Er wollte es diesmal besser machen, brachte in der Qualifikation einen Lauf herunter, der für den Etappensieg reichen sollte. Nach dem Sprung unter die besten zehn des Feldes stand der entscheidende Lauf an. Doch dort passierte etwas, das einem bei bestem Trainingszustand und optimaler Vorbereitung völlig aus der Bahn werfen kann: „Vor dem Lauf war ich nicht sicher ob ich es bis zur Ziellinie schaffen würde. Ich habe beim Warmfahren Muskelkrämpfe bekommen. Meine Arme haben Sachen gemacht, die ich einfach nicht wollte. Sie haben sich zum Teil selbstständig gemacht.“ Selbst beim Helm aufsetzen, bekam er den Arm nicht mehr richtig gestreckt, berichtet er später. „Es kam alles sehr plötzlich und zwanzig Minuten vor dem Rennen kann man da auch nichts mehr dran ändern.“

Dennoch griff Aigner an: „Ich habe versucht, mein Bestes zu geben und damit umzugehen.“ Leider brachte ihm das einen größeren Fahrfehler im oberen Streckenabschnitt ein, bei dem er wichtige Zeit liegen ließ. Als der Sportsoldat im Ziel ankam und sah, dass er die Siegerzeit aus dem Halbfinale nicht erreicht hatte, war ihm die Enttäuschung anzumerken.

„Erst einmal war ich ziemlich frustriert, dass ich da so hinter meinen Möglichkeiten zurückgeblieben bin. Ich war fix und fertig, weil diese Krämpfe ganz schön unangenehm waren und es mich auch ein bisschen fassungslos gemacht hat, dass mir da auf einmal sowas in die Quere kommt.“ Zwar führte der Augsburger im Ziel, aber es sollten ja noch sechs weitere Starter folgen. Nachdem sich der Slowake Jakub Grigar mit einem schnellen Lauf und einer 2,2 Sekunden schnelleren Fahrzeit vor Aigner setzte, schwante diesem schon wieder böses. Es sollten noch drei Sportler folgen. Erinnerungen an 2016 kamen wieder hoch.

Doch der Amerikaner Michal Smolen und der Franzose Boris Neveu patzten und erreichten Aigner nicht. Da war klar, dass er eine Medaille sicher hatte. „Nachdem ich in Rio vierter wurde, wäre ich heute sehr enttäuscht gewesen, wenn es wieder so gekommen wäre.“ Die Tagesbestzeit setzte letztlich nur noch der Tscheche Jiri Prskavec. Bei ihm schien einfach alles zusammenzuspielen, er flog förmlich über den anspruchsvollen Kurs. Im Ziel konnte er selbst nicht glauben, was er da für eine Zeit heruntergebracht hatte. Mit einer Fabelzeit von 91,63 ging der Sieg ganz klar an den 28-jährigen.

„Jiri hat heute in einer anderen Liga gepaddelt. Deswegen brauche ich mir da auch keine großen Gedanken machen, dass ich irgendwas verbockt hätte. Ich denke, ich bin da jetzt ganz gut aus der Nummer herausgekommen. Ich bin glücklich, dass es gereicht hat. Da hat sich dann das Kämpfen bis zum Schluss gelohnt.“ Mit dem Erfolg heute sicherte sich Aigner seine zweite olympische Bronzemedaille seiner Karriere und komplettierte die 100%ige Chancenverwertung im deutschen Team. Als dies feststand, wurde aus der Enttäuschung Freude und es war ein Lächeln unter der Maske zu erahnen. „Jetzt fühle ich mich wirklich gut und kann sehr glücklich sein, heute mit einer Medaille nach Hause zu kommen.“

Die muskulären Probleme führte er auf die Hitze im Kasai Canoe Slalom Centre zurück. Der heutige Tag war durch die hohe Luftfeuchte nach dem morgendlichen Regen und die ohnehin hohen Temperaturen noch einmal besonders fordernd. „Es ist fast nicht möglich genau so viel zu trinken, wie man hier ausschwitzt. Das hatte ich jetzt die ganzen dreieinhalb Wochen hier nicht. Wir haben Kühlwesten und ein Kühlbecken an der Strecke aber heute waren die einfach nicht genug.“  

Der Gewinn der Medaille bedeutet Aigner sehr viel. „Ich habe fünf Jahre dafür trainiert. Es gibt nur zwei, die es besser gemacht haben.“ Er würdigte auch die Gesamtleistung des deutschen Teams: „Wir alle haben wirklich sehr hart gearbeitet. Die Athleten sind super ambitioniert. Wir haben ein ganz tolles Team um uns herum, das uns unterstützt. Nachdem wir in Rio jedes Mal nur knapp an den Medaillen vorbeigefahren sind, waren wir dieses Mal die glücklichen. Jeder von uns hat sich das hier verdient.“

Nicht zuletzt ist dies auch den Trainern und Betreuern im Team zu verdanken. Jetzt heißt es für die verbliebenen in Tokyo auch schon Koffer packen. „Es ist ein straffer Zeitplan bis zur Abreise morgen. Aber da wird sicherlich noch Zeit sein für eine kleine Abschlussfeier. Auch für unsere Betreuer, die hier ja jetzt die letzten Wochen sehr, sehr hart arbeiten mussten. Das haben wir uns dann alle verdient.“

Wie es für den Kajak-Spezialisten nun weitergeht? „Wir haben im September noch die WM. Da will ich auf jeden Fall fit sein. Aber jetzt erst einmal ist alles ein bisschen ruhiger – ein bisschen Entspannung. Die letzten Wochen waren schon sehr anstrengend.“ Und dann steht im kommenden Jahr die Heim-WM in Augsburg an. Da will er definitiv dabei sein: „Das ist ein großes Ziel als gebürtiger Augsburger und auch als Starter für den Augsburger Kajak Verein.“ Wie es danach weitergeht, werde er sehen. „Wir haben eine neue olympische Disziplin, den Extrem-Slalom. Da kommt es ein bisschen auf die Entwicklung an, in welche Richtung das geht. Vielleicht ist das auch für mich eine neue Herausforderung.“ An Aufhören will er aber noch nicht denken: „Ich will es nicht ausschließen, in drei Jahren in Paris noch dabei zu sein.“

Ergebnisse:

1. PRSKAVEC Jiri (CZE) 91,63 (0), 2. GRIGAR Jakub (SVK) 94,85 (0), 3. AIGNER Hannes (GER) 97,11 (0)

Text und Bildquelle: Philipp Reichenbach / DKV

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