FC Augsburg, genügt der Kader den Ansprüchen?
In weniger als vier Wochen spielt der FC Augsburg im Pokal gegen den FV Ravensburg. Wenn man ganz genau
hingehört hat, konnte man Dirk Schusters Enttäuschung heraushören. In einem kleinen Nebensatz öffnete sich das Innenleben des FCA-Trainers.
Angesprochen auf den derzeitigen
Stand des Kaders, sprach der
48-Jährige von einer sehr willigen
und lernbereiten Mannschaft, die
Spieler seien hochmotiviert, aber
– und jetzt kommt‘s – es sei „ärgerlich,
dass wir den ein oder anderen
Spieler verloren haben“.
Er meint damit natürlich die
beiden Innenverteidiger Ragnar
Klavan und Jeong-Ho Hong. Dass
aufgrund der Abgänge weitere Einkäufe
notwendig sind, ist bekannt.
Einen Impuls setzte Augsburg
schon unter der Woche, als man
ablösefrei Gojko Kacar holte.
Doch wo muss noch nachgebessert
werden? Wo drückt der Schuh?
Auf welcher Position herrscht ein
Überangebot? Eine Analyse zum
jetzigen Zeitpunkt.
Torhüter
Marwin Hitz kehrte nach einer
für ihn enttäuschenden Europameisterschaft
ohne Einsatz zurück.
Auf dem Platz machte er sich zugleich
bemerkbar, gab immer wieder
lautstark Anweisungen – als ob
er keinen Zweifel an seiner
(Stamm-)Position zulassen möchte.
Auffällig: Obwohl schon seit
Dienstag wieder im Training,
lehnte er sämtliche Interview-Anfragen
ab.
Der neue Torwart, Andreas
Luthe, Hitz‘ Konkurrent, ehemaliger
Bochumer, scheint sich gut
beim FCA integriert zu haben,
vermittelt einen soliden Eindruck.
Dass Torwarttrainer Zdenko Miletic
seinem neuen Schützling ab
und zu Tipps gibt, spricht für Luthes
Lernbereitschaft. Ioannis
Gelios bleibt angesichts der starken
Konkurrenz nur die dritte Position.
Linksverteidiger
Dadurch, dass Philipp Max bei
Olympia dabei sein wird, ist zumindest
zu Beginn der Pflichtspielsaison
die Verteilung klar: Kostas
Stafylidis hat die Nase vorne. Doch
der Grieche mit dem harten Linksfuß
verpasste erneut einige Tage
mit kleineren Wehwehchen. Ein
kontinuierliches Einspielen war
bislang nicht möglich.
Und was
passiert, wenn Max wieder zurück
ist? Hält Stafylidis dann still? An
sich ist es ja gut, dass der FCA zwei
so starke Linksverteidiger hat, doch
die Luxussituation könnte noch
zum Problem werden. Marco
Schuster, eigentlich ein Zentrumsspieler,
musste zuletzt dort aushelfen,
ihm bleibt aber im Normalfall
nur die Zuschauerrolle.
Linker Innenverteidiger
Hier hat Augsburg den größten
Bedarf. Logisch, denn ein Abgang
wie Ragnar Klavan lässt sich
nicht so ohne weiteres ersetzen.
Ein möglicher Nachfolger winkte
mit Luca Caldirola bereits ab. Er
wolle in Bremen Abwehrchef werden.
Obwohl Abwehrtalent Tim
Rieder in den Tests bislang am
längsten spielte (270 Minuten),
sind seine Chancen auf den ersten
Profi-Einsatz trotz starker Arbeitsmoral
äußerst gering. Marvin
Friedrich ist wegen einer langwierigen Verletzung erstmal raus.
Rechter Innenverteidiger
Jeffrey Gouweleeuw oder Gojko
Kacar? Und was ist mit Christoph
Janker? Holländer Gouweleeuw
ist nach seiner Sprunggelenks-OP
wieder schmerzfrei, benötigt aber
noch Spielpraxis. Auch Neuzugang
Kacar hat noch Defizite. Zwar hielt
er sich beinahe zwei Monate individuell
fit, er gab aber zu, das
Training mit dem Ball vermisst zu
haben. Ein so erfahrener Spieler
weiß aber, was er tun muss, um
zum Start fit zu sein. Selbiges gilt für Janker, der weiterhin solide
seine Arbeit verrichtet und – darauf
kann man sich jetzt schon verlassen
– da sein wird, wenn er benötigt
wird. Jan-Ingwer Callsen Bracker
muss nach seiner Horrorverletzung
kämpfen, um den Anschluss
nicht zu verlieren.
Rechtsverteidiger
Kein Zweifel an Kapitän Paul Verhaegh,
auch wenn er nach seiner
Blessur einige Tage ausfiel. Der
Holländer ist unbestritten und wird
auch unter dem neuen Trainer
Stammkraft sein. Daniel Opare
hingegen macht vieles richtig, dann
aber auch Dramatisches falsch. Er
schafft den Spagat zwischen Professionalität
und Spaß noch immer
nicht. Georg Teigl ist schnell und
robust, aber in den Testspielen
zeigte er eine durchwachsene Leistung.
Ein Vergleich zu André
Hahn (gleiche Rückennummer,
ähnlicher Körperbau) ist – Stand
jetzt – nicht angebracht.
Sechser
Daniel Baier genießt auch unter
Dirk Schuster einen besonderen
Stellenwert. Welcher Trainer gibt
seinem Strategen schon einen Tag
frei, um bei der Hochzeit seines
Kumpels dabei zu sein? Aber Baier
hat sich dieses Standing auch verdient.
Vom Trainer gab‘s zuletzt
Extra-Lob. „Diese langen Bälle,
die er geschlagen hat, das können
nicht viele in der Liga.“ Markus
Feulner macht hingegen nur langsam
Fortschritte. Er absolvierte
zuletzt – wenn überhaupt – nur
Lauftraining.
Achter
Dominik Kohr geht als Platzhalter
in die Saison und dürfte ein kampfstarker
Spieler genau nach dem
Geschmack von Dirk Schuster
sein. Konkurrent Jan Moravek
zog die Trainingseinheiten voll
durch, zeigte aber gerade gegen Sandhausen viele technische Mängel,
die man so vom Tschechen eigentlich
nicht kennt. Je nach taktischer
Ausrichtung kämen auf dieser
Position auch Hali Altintop
oder Ja-Cheol Koo in Frage, vornehmlich
sollen sie aber auf der
Zehn agieren.
Zehner
Viel Qualität steht hier zur Auswahl.
In Ja-Cheol Koo sieht
Schuster einen in seinen Plänen
äußerst wichtigen Spieler. Der
Topscorer der vergangenen Saison
will sämtliche Verletzungen hinter
sich lassen und geht entsprechend
fit in die Saison. Das ist auch Halil
Altintop. Der Deutsch-Türke ist
erfahren genug, sich die Kräfte
einzuteilen. Wie in der Vorsaison
kann es sein, dass seine Stärken
erst im Laufe der Saison zum Vorschein
kommen. Dong-Won Ji ist
zwar großgewachsen, doch in den
Tests zeigte er minimal, was für
eine Stammposition spricht. Viel
schlimmer noch: Mit einem fatalen
Fehlpass leitete er gegen Sandhausen
das zweite Gegentor ein.
Linker Flügel
Der nimmermüde Tobi Werner
greift an, um sich die Stammposition
von Caiuby zurückzuholen.
Schade, dass er wegen eines Schlag
aufs Knie für einige Tage ausfiel.
So hat der Brasilianer die Nase
vorn. Lachender Dritter könnte Takashi
Usami sein. Der Japaner gewöhnt
sich zwar nur langsam an die
taktischen Abläufe, zeigte aber am
Ball schon einige gute Aktionen.
Leider versteckt er sich aber noch
zu sehr und wirkt oft zu passiv.
Rechter Flügel
Viele Möglichkeiten, aber hinter
jeder steckt ein Fragezeichen. Raul
Bobadilla hat derzeit nur wenig Bock. Der temperamentvolle Angreifer
wirkt unmotiviert und lustlos,
eckte in der vergangenen Woche
mit Teamkollege Daniel Opare
an und konnte selbst vom Trainerteam
nicht beruhigt werden.
Schlimmer noch: Noch vor Trainingsende
stampfte er in Richtung
Kabine – vor Dirk Schuster. Ein
Unding! Zwei Einheiten später meckerte
er nach dem Ende eines
Trainingsspiels, weil man erst noch
einen Sieger im Elfmeterschießen
herausspielen müsse.
Auch Alexander Esswein offenbart
Schwächen. Schnell ja, aber zu
häufig will er mit dem Kopf durch
die Wand. Dass er im Test gegen
Illertissen nach seiner Einwechslung
in der zweiten Halbzeit nach
25 Minuten wieder raus musste,
mag abgesprochen gewesen sein,
passt aber ins Bild des abwanderungswilligen
Esswein. Zumal er
vor seiner Auswechslung leichtfertig
eine Chance vergab als wer,
statt aufs Tor zu schießen, erst noch
den Torhüter ausspielen wollte. Albian
Ajeti lautet die Alternative.
Zwar strotzt er vor Energie, doch
aufgrund seines Alters unterlaufen
ihm noch jugendliche Fehler. Die
könnte man aber durch Spielpraxis
minimieren.
Mittelstürmer
Gut, dass Augsburg Alfred Finnbogason
hat. Der Isländer wird am
Dienstag zurückerwartet und ist
vorne drin gesetzt. Ganz im Gegensatz
zu Tim Matavz. Erneut scheint
der Slowene nicht sein Potenzial
erreichen zu können. So langsam
stirbt dann auch die Hoffnung auf
den Durchbruch. Auch bei Shawn
Parker sieht es eher düster aus.
Über einen längeren Zeitraum hat
man ihn noch nicht trainieren sehen.
Immerhin beim Testspiel gegen
Wangen wieder im Kader.
Mit freundlicher Unterstützung der Neuen Sonntagspresse