Augsburger WM-Titel im Rückwärtslaufen
Nach Rotkreuz (Schweiz, 2006), Pietrasanta ( Italien, 2008) und
Kapfenberg (Österreich, 2010) wurde dieses Wochenende im spanischen
Lleida die 4. Weltmeisterschaft im Rückwärtslaufen ausgetragen. Die
140.000 Einwohnerstadt unweit von Barcelona konnte Athleten aus zehn
unterschiedlichen Nationen begrüßen. Der Großteil kam aus Spanien,
Italien und Deutschland, aus Übersee waren die Länder Venezuela,
Senegal und Brasilien vertreten. Im Medaillenspiegel hatte zwar
Italien knapp die Nase vorne, die besten Einzelleistungen gingen aber
auf das Konto der deutschen Retrorunner.
Melanie Albrecht war DIE Überraschung dieser Weltmeisterschaft der
International-Retro-Runner (IRR). Die 16-jährige hat sich in jüngster
Vergangenheit bereits einen respektvollen Namen in der Sportszene
erarbeitet, will sich aber noch nicht auf ein Spezialgebiet festlegen
lassen. Zuletzt wurde sie Europameisterin im Treppenlauf. Einen in der
Relevanz noch höher einzuschätzenden Titel errang sie im Frühjahr in
Thüringen. Dort wurde sie Deutsche Meisterin im Crosslauf der
weiblichen U 18. Aber auch im Skilanglauf und Berglauf ist sie bereits
eine Größe. In ihrem LebensLAUF taucht nun zur Abrundung erstmals auch
Retrorunning auf.
Völlig unbeeindruckt von der für sie neuen Sportart setzte die
Athletin der Unterländer LG den Sprintstrecken ihren Stempel auf, um
damit dreimal Gold zu gewinnen. Über 100 Meter lief sie mit 18,04
Sekunden die drittschnellste je von einer Frau mit dem Rücken voran
gelaufenen Zeit um zwei Stunden später eine neue Weltbestzeit über 200
Meter aufzustellen. Mit 37,94 Sekunden blieb sie eine halbe Sekunde
unter dem bisherigen Rekord von Isabella Wagner (38,47 Sekunden aus
dem Jahr 2008). Den goldenen Hattrick machte sie am nächsten Tag über
400 Meter perfekt. Die 1:29,40 Minuten über die Stadionrunde kamen der
Weltrekordmarke sehr nahe (1:29,00 Minuten).
Ihr männliches Pendant war Roland Wegner (36), der die deutsche
Retrorunning-Szene schon von der ersten Minute an begleitet und neben
seinen Weltrekorden als Teilnehmer bei „WETTEN DASS…?“ und als
Buchautor bekannt wurde.
Auch er trägt aktuell den Titel eines Deutschen Meisters (im
Vorwärtslaufen). Ihm gelang dieses Kunststück heuer über 400m in
seiner Alterskategorie (M 35). Bei der Retro-WM startete er in der
Aktivenklasse und holte als Titelverteidiger erneut Gold über die
Kurzstrecken. Die 100 Meter spulte er eindrucksvoll in 15,32 Sekunden
herunter. Auf der doppelten Distanz war der Zieleinlauf sehr spannend.
Hier blieb der Athlet der LG Augsburg in 31,74 Sekunden „vor“ Garret
Doherty aus Irland, der 32,04 Sekunden benötigte. Die 400 Meter lief
Wegner als amtierender Weltmeister dann nicht mehr, wovon der
Italiener Alberto Spillari (1:18,54 Minuten) profitierte, der bei den
200 Metern außerdem die Bronzemedaille gewann. Der Vegetarier Roland
Wegner nutzt aktuell die Sportart Rückwärtslaufen auch, um zusammen
mit der Tierrechtsorganisation Peta auf die Probleme in der
Massentierhaltung („dem Tierleid den Rücken zukehren“) hinzuweisen.
Die Sprinter wurden auf der Zielgeraden allesamt von einem kräftigen
Schwiebewind unterstützt.
Auch Thomas Dold ist wie Melanie Albrecht und Roland Wegner als
Treppenläufer bekannt, vor allem als mehrfacher Sieger beim Lauf auf
das New Yorker Empire State Building. Er holte sich souverän ebenfalls
zwei Weltmeistertitel. Ungewohnt für ihn war, dass über 800 Meter vomn
Start weg ein anderer die Führung übernahm. Garret Doherty aus Irland
verteidigte diese Position eine Runde lang, ehe dieser der
läuferischen Qualität von Dold Tribut zollen musste. Am Ende standen
für den Deutschen 2:36,33 Minuten zu Buche, Silber ging an Irland (
2:42,34 Minuten). Die 3000 Meter waren eine Demonstration. In 11:24,74
Minuten nahm er dem Zweitplatzierten Pablo Galleto aus Brasilien über
vier Minuten ab.
Ein Duell mit dem zweiten Deutschen Langstreckenspezialisten Achim
Aretz kam leider nicht zustande. Der mehrfache Rekordhalter (z.B.
Marathon rückwärts in 3:42,41 Stunden) konzentrierte sich auf 5000 und
10000 Meter, die er auch wie erwartet für sich entscheiden konnte. Die
große Hitze ließ keine neuen Rekorde zu, so dass sich Aretz über 5
Kilometer mit 25:36,94 Minuten vollauf zufrieden gab. Silber gewann
Luis Enrique Ramos aus Spanien/Katalonien in 31:41,24 Minuten). Seinen
zweiten WM-Titel gewann der 28-jährige Münsteraner über die doppelte
Distanz. Hier blieb er mit 50:40,94 Minuten drei Minuten vor seinem
Trainingsfreund Marc-Andre Ocklenburg, der auf der Vorwärtsdistanz
30:30,15 Minuten vorzuweisen hat und damit bereits in der DLV-Top10
vertreten war. Christoph Diehl rundete den deutschen Dreifacherfolg
mit 62:12,74 Minuten ab.
In der Seniorenwertung (ü 50) trugen vor allem Carmen Fuhrmann, Arno
Schneider, Günter Fuhrmann, Franz Meier und Ralf Klug zum guten
Abschneiden des deutschen Teams bei. Günter Fuhrmann holte sich den
Titel über 5000 Meter in 28:07,84 Minuten. Seine Ehefrau benötigte für
die Goldmedaille über 3000 Meter 18:54,64 Minuten. Arno Schneider lief
die 800 Meter und wurde nach 6:49,64 Minuten mit dem WM-Titel belohnt.
Weitere Informationen auf www.retrorunning.org